Wer vor künftigen Pandemien gewappnet sein will, muss die Fehler analysieren, die beim Schweinegrippe-Alarm gemacht wurden.
Erschienen in: bild der wissenschaft 4/2010
Oktober 2009. Die Niedersächsische Gesellschaft für Impfwesen und Infektionsschutz veröffentlicht eine Pressemitteilung zur Schweinegrippe: „Auch bei einem milden Verlauf ist in dem kommenden Herbst und Winter mit 25.000 bis 35.000 Toten in Deutschland zu rechnen. Diese Zahl ist auf keinen Fall zu hoch gegriffen.“ Verantwortlich zeichnet Adolf Windorfer, ehemaliger Leiter des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes. Die Bild-Zeitung verbreitet die Prognose unter der Überschrift „Professor befürchtet in Deutschland 35000 Tote!“.
Prognosen lagen daneben
Wie weit die Vorhersage daneben lag, lässt sich auf den Internetseiten der „Arbeitsgemeinschaft Influenza“ des Robert-Koch-Instituts (http://influenza.rki.de) nachlesen. Mitte Februar 2010, dem Redaktionsschluss, betrug die Zahl der bundesweit gemeldeten Todesfälle 226. Anders gekommen als gedacht ist es auch bei der Impfbeteiligung. „Es ist zu erwarten, dass die ganz große Mehrheit der Menschen dieses Impfangebot annimmt“, schrieb das Paul-EhrlichInstitut (PEI) auf seinen Internetseiten im Juli 2009. Das PEI ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt. Tatsächlich haben sich bis Ende 2009 etwa acht Prozent der Deutschen impfen lassen, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Robert-Koch-Instituts zeigt.
Angesichts dessen sind Überschriften wie „Das Virus, das keiner ernst nimmt“ (Die Welt) verständlich. Der Graben zwischen den Vorhersagen und der Realität ist so groß, dass es manche Stimmen – etwa die von Susanne Stöcker – schwer haben. Die Sprecherin des PEI sagt: „Ich würde die Schweinegrippe vor allem deshalb nicht als harmlos bezeichnen, weil sie im Gegensatz zur saisonalen Influenza vor allem jüngere Menschen trifft.“ Und Hans-Dieter Klenk vom Institut für Virologie der Universitätsklinik Marburg weist auf schwerste Krankheitsverläufe hin, bei denen die Erkrankten ins Koma versetzt und maschinell beatmet werden müssen.
Gezielte Panikmache?
Oberwasser haben zurzeit diejenigen, die Strategie und gezielte Panikmache hinter dem Pandemie-Alarm vermuten. „Für die Regierungen, die WHO und die Pharmaindustrie ist es natürlich ideal, eine harmlose Erkrankung als Weltbedrohung aufzubauen, gemeinsam davon zu profitieren und am Ende sich gegenseitig zu beglückwünschen, wie gut doch durch die enge Zusammenarbeit die Bedrohung abgewendet wurde“, schrieb bereits im September 2009 die unabhängige Ärztezeitschrift „Der Arzneimittelbrief“ in dem Artikel „Schweinegrippe – eine inszenierte Pandemie als Konjunkturprogramm?“