Extended Version eines Artikels

In der August-Ausgabe von „bild der wissenschaft“ habe ich nachgehakt: Mein Text zeigt, was aus der Superlinse geworden ist – 2008 hatte die Zeitschrift erstmals darüber berichtet. Hier der Artikel in einer Version, die etwas ausführlicher ist als die in bild der wissenschaft.

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Trübe Aussichten

Keiner hat sie eingesetzt bekommen: die Superlinse.

„Im Jahr 2014 bin ich 68. Dann lasse ich mir das künstliche Akkommodationssystem einbauen“, zitierte bild der wissenschaft in der Ausgabe 11/ 2008 („Die Superlinse“) den Ingenieur Georg Bretthauer. Der damalige Leiter des Instituts für Angewandte Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und durchschnittlich zehn seiner Mitarbeiter hatten 2008 schon einige Jahre an dem System getüftelt, das bei einer kleinen Operation statt der natürlichen Linse ins Auge eingepflanzt werden sollte. Zum einen bei Menschen, die sowieso eine Kunstlinse benötigen, weil der Graue Star ihren Blick trübt. Zum anderen aber auch bei Alterssichtigen, deren Linse beim Hin- und Herschalten zwischen Nah- und Ferndistanz nicht mehr mitkommt. Allen sollte das Implantat helfen, ohne Gleitsichtgläser oder dem ständigen Brillenwechsel im Alltag scharf zu sehen.

Nur Demonstrator IV

Wäre das Implantat heute einsatzbereit, hätte Bretthauer es sich an der Universitäts-Augenklinik Rostock einsetzen lassen, dem medizinischen Partner der Karlsruher Ingenieure. Doch es gibt bislang nur den „Demonstrator IV“. Dieses System ist prinzipiell funktionsfähig – aber: Alle Komponenten sind doppelt so groß, wie sie sein dürften. Tatsächlich hat es sich als sehr schwierig erwiesen, Linsensystem, Antrieb, Sensoren, Regelung, Energieversorgung und Informationstechnik in einem Volumen von lediglich 70 Kubikmillimetern unterzubringen. Dass so wenig „Bauraum“ (Bretthauer) zur Verfügung steht, hatten die Rostocker Mediziner um Rudolf Guthoff erst im Laufe des Projektes erfahren: „Als Rudolf mit der Nachricht kam, dass der Querschnitt des Implantats nur  neun anstatt ursprünglich zehn Millimeter sein darf,  habe ich ihn gefragt: Weißt Du eigentlich, dass sich der Bauraum mit dem Quadrat des Radius verringert –nicht um rund 10, sondern um fast 30 Prozent?“, erinnert sich Bretthauer. 

Der Karlsruher Professor verweist darauf, dass viele Fragen gelöst worden seien: etwa die, wie man es schaffen kann, dass ausschließlich der behandelnde Arzt das System per Fernsteuerung nachjustieren kann und nicht irgendwelche Unbefugte „hacken“ können. Extreme Fortschritte habe es beispielsweise auch dabei gegeben, den Energiebedarf der Superlinse zu reduzieren. Bretthauer ist überzeugt, dass die weitere Miniaturisierung des Systems möglich ist. „Wir bräuchten drei bis fünf weitere Jahre und 25 Millionen Euro, um es bis zur Marktreife zu entwickeln“, sagt er.

Das Problem: Bretthauer ist inzwischen im Ruhestand, die Förderung seiner Forschung am KIT ist ausgelaufen. Aktuell sucht er nach Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die ein Entwicklerteam finanzieren. Damit hat er sich eine Aufgabe gestellt, die schwieriger sein könnte als alle bisherigen.

Kontaktlinse für Alterssichtige

Dabei möchte der rührige Ingenieur auch noch eine weitere Vision realisieren, die ihn seit drei Jahren antreibt: Er will akkommodierende Kontaktlinsen bauen, die ihren alterssichtigen Trägern die jugendliche Sehfähigkeit für Nah und Fern wiedergibt. „Der Markt dafür ist viel größer als für Implantate“, sagt Bretthauer. Vor allem aber: In die Kontaktlinse eingebaut, braucht das System nicht garantierte 30 Jahre lang zu funktionieren – herkömmliche Kontaktlinsen werden üblicherweise spätestens nach einem Jahr durch neue ersetzt.

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