Effizienz und Gerechtigkeit sind im Gesundheitswesen immer weniger vereinbar. Es wächst der Druck, nach „rationalen“ Regeln über Leben und Tod zu entscheiden.
Bei industriellen Großunfällen, Naturkatastrophen und im Krieg gelten in der Medizin besondere Regeln. Deren erklärtes Ziel: mit den beschränkten zur Verfügung stehenden Mitteln soll das Leben möglichst vieler Menschen erhalten werden. Dazu helfen die Ärzte zunächst den lebensgefährlich verletzten Menschen, die bei vertretbarem Aufwand vermutlich gerettet werden können. Schwerstverletzte mit nur geringen Überlebensaussichten behandeln sie dagegen nicht. Ebenso verfahren sie mit den Leichtverletzten, deren Genesungschancen sich durch Warten wahrscheinlich nicht verschlechtern. Diese so genannten Triageregeln werden von den meisten Menschen akzeptiert.
Möglichst viele Leben retten – oder doch nicht?
Würde jedoch in der Alltagsmedizin die Leitlinie „Rette so viele Menschenleben wie möglich“ konsequent angewandt, hieße das: Wer auf eine Transplantation zweier Spenderorgane angewiesen ist, dürfte auf der Warteliste nicht vorrücken und würde sicher sterben. Denn schließlich könnte mit zwei Organen gleich zwei anderen Menschen geholfen werden. Oder: Ein neu entwickeltes und daher rares Medikament dürfte zunächst nicht an Patienten ausgegeben werden, die es in vergleichsweise hoher Dosierung benötigen – von dieser Menge Arzneistoff könnten alternativ mehrere Patienten profitieren. In beiden Beispielen widerspricht das Bestreben, möglichst viele Leben zu retten, der Forderung, dass jeder Mensch die gleiche Chance auf Überleben haben sollte.
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Erschienen in: Psychologie heute September 2003